Ausstellung „Mythos Wasserkraft“ kommt nach Amstetten
WWF und Initiativen für die Ybbs gemeinsam für den Schutz des Flussjuwels
Wasserkraft ist sauber, klimaneutral und macht Österreich unabhängig von Kohle und Atom. Kaum eine Energiequelle hat ein besseres Image. Erst auf den zweiten Blick wird deutlich: Wasserkraftwerke jeder Art bedeuten massive Eingriffe in die Natur, tragen zum Artenschwund bei und verschlechtern die Ökosystem-Dienstleistungen gesunder Flüsse. Mit seiner Ausstellung „Mythos Wasserkraft“, die heute am Hauptplatz in Amstetten gezeigt wird und danach noch am 12. Mai in Graz zu sehen ist, will der WWF die Wasserkraftdiskussion auf die fachliche Realität zurückholen und zu einer nachhaltigen Energiediskussion beitragen.
In Niederösterreich ist der geplante Neubau von zwei bis drei Kraftwerken an der Unteren Ybbs heftig umstritten. Gerald Mevec von der Bürgerinititative „Pro Ybbs“ und Leo Hochpöchler, Verein „Rettet die Ybbs-Äsche“ erklären: “Die Ybbs hat ihre Schuldigkeit für die energiewirtschaftliche Nutzung schon mehr als getan! Bereits 20 Wehranlagen zerschneiden ihren Verlauf. Wir möchten die letzten Abschnitte der Ybbs erhalten und – wo möglich – ökologisch noch verbessern.“
Mit Pielach, Melk und Mank gehört die Untere Ybbs zum Natura 2000 – Europaschutzgebiet „Niederösterreichische Alpenvorlandflüsse“. Flussgebiete mit einer solchen internationalen Auszeichnung sind in ganz Österreich sehr selten geworden. Für den WWF ist daher klar, dass an der Ybbs die Erhaltung von Fauna und Flora eindeutig Vorrang gegenüber weiteren Kraftwerksbauten haben muss. „Gerade an den Alpenvorlandflüssen Niederösterreichs wurden mit viel Steuergeld Rückbaumaßnahmen umgesetzt, die einerseits den Flüssen wieder Lebendigkeit, und andererseits den Menschen neuen Lebens- und Erholungsraum zurückgegeben haben. Diese Erfolge sollten nicht gefährdet werden“, meint Christoph Litschauer vom WWF.
Der WWF überprüft in seiner aktuellen Ausstellung den Wahrheitsgehalt energiewirtschaftlicher Argumente im Wettlauf um die letzten nutzbaren Fluss-Strecken. 160 große und mittlere neue Kraftwerksvorhaben bedrohen Österreichs Flussjuwele. Oftmals liegen die Projekte mitten in strengen Schutzgebieten oder Nationalparkregionen. Ökologisch und sozial verträglicher Ausbau der erneuerbaren Energien und die längst überfällige Nutzung der brachliegenden Einsparpotentiale lautet das Gegenrezept des WWF.
Mythos: Wasserkraftausbau macht uns energieautark
Österreichs Stromhunger kann durch Wasserkraft nicht gedeckt werden, wenn der Verbrauchszuwachs von derzeit zwei Prozent pro Jahr weiterhin alles auffrisst. „Wir sind nicht gegen den weiteren Ausbau der Wasserkraft, aber er muss mit Maß und Ziel erfolgen“ erklärt Christoph Walder vom WWF. „Sonst sind in ein paar Jahren die letzten Flüsse zerstört und das Energieproblem bleibt dennoch ungelöst“. Fakt ist, dass Österreich 2009 als Teil des europäischen Strommarktes mit rund 70.000 GWh gleich viel Strom erzeugt wie verbraucht hat.
Mythos: Wasserkraft ist eine umweltfreundliche Energiequelle
Österreichs 4.034 Wasserkraftwerke haben unsere Fließgewässer bereits massiv beeinträchtigt. 70 Prozent der heimischen Flüsse und Bäche liefern schon Strom. Ihr Wasser ist zwar sauber – aber Gewässergüte, Grundwasserqualität und Selbstreinigungskraft laufen Gefahr, ins europäische Schlussfeld abzurutschen. Mit der Degradierung der Flüsse geht die Zerstörung ihrer Auen als wichtige Lebensräume bedrohter Arten und als Retentionsraum im Hochwasserfall einher. Wenn wir auch in Zukunft sauberes Trinkwasser wollen, müssen wir den Wasserkreislauf mit Flüssen, Seen, Feuchtgebieten und Grundwasserspeichern schützen.
Mythos: Saubere Wasserkraft ersetzt schmutzige Kohle
In den großen Pumpspeicherkraftwerken der Alpen wie dem Kopswerk II in Vorarlberg oder Kühtai in Tirol müssen große Wassermengen bewegt werden. „Mit billigem Atom- und Kohlestrom aus dem Ausland wird das Wasser in den Speichersee hinaufgepumpt und dann am nächsten Tag über die Turbinen als ‚sauberer Strom aus heimischer Erzeugung’ abgearbeitet – das reinste Greenwashing“, klärt Walder auf. Weil Pumpspeicherkraftwerke vor allem Spitzenstrom für den Export liefern, tragen sie auch kaum zu Österreichs Versorgungssicherheit bei.
Mythos: Small is beautiful – Kleine Kraftwerke sind unbedenklicher als Große
Kleinwasserkraftanlagen mit einer Leistung unter zehn Megawatt haben auf Ökosysteme sogar schlimmere Auswirkungen als große. Das liegt einerseits an der großflächigen Auswirkung der zahlreichen Anlagen – derzeit etwa 3. 380 – auf die Natur, und andererseits an der geringen Energieausbeute im Vergleich zum Gewässerverbrauch von etwa 200 Metern pro Gigawattstunde und Jahr. Kleine Kraftwerke zerstören demnach für die gleiche Energieausbeute im Vergleich bis zu acht Mal mehr Flussnatur als Großkraftwerke.
WWF-Lösung: Nicht mehr erzeugen, sondern intelligenter verbrauchen
Der in der Energiestrategie Österreichs angestrebte Ausbau der Wasserkraft um sieben Terrawattstunden bis 2020 deckt nur den Verbrauchszuwachs, nicht jedoch den Gesamtbedarf an Strom ab. „Viel wichtiger als neue Kraftwerksbauten ist, endlich die riesigen Potentiale zu nutzen, die in der Energieeffizienz brachliegen“, erklärt Walder. In Einsparungen und der Nutzung und Förderung moderner technischer Lösungen etwa in den Bereichen Gebäudesanierung, Beleuchtung, Warmwasseraufbreitung und Verkehr liegt vier Mal mehr energetisches Potential als im Totalausbau der Wasserkraft.