NGOs und E-Wirtschaft ringen um Einigung beim Bundeskriterienkatalog
Wien, 14. November 2011 – Die Bundesregierung soll noch bis Jahresende die konkreten Ausbauprojekte von Österreichs Wasserkraft objektiv, klar und strategisch bewerten. Dies schreibt der Nationale Gewässerbewirtschaftungsplan als wesentliches Instrument der EU-Wasserrahmenrichtlinie verbindlich vor. Morgen findet im Lebensministerium die entscheidende Sitzung im Ringen um einen Kriterienkatalog, der die Konflikte zwischen Naturschutz und E-Wirtschaft fachlich bereinigen könnte, statt. 60 geplante Großkraftwerke an Österreichs Flüssen stehen einem schlechten ökologischen Gesamtzustand der großen heimischen Gewässer gegenüber. Der WWF befürchtet, dass der Kriterienkatalog Kraftwerksprojekte künftig sogar noch erleichtern könnte.
Im so genannten Bundeskriterienkatalog wird anhand von 12 Kriterien geregelt, ob Kraftwerksneubauten als ökologisch unbedenklich eingestuft werden, oder – weil nicht genehmigungsfähig – nur mit Ausnahmebewilligung errichtet werden können. Das Regelwerk wird nach Erlass in die entsprechenden Bundes- und Landesverordnungen, sowie die Naturschutzgesetze einfließen.
Tauziehen um die letzten noch unverbauten Fließgewässer
Der WWF hat bereits an der Entwurfsvorlage mehrfach kritisiert, dass die Kriterien zwar fachlich gut gewählt, aber nicht rechtsverbindlich seien. „Wir brauchen keinen Wunschzettel der E-Wirtschaft ans Christkind, sondern eine gesetzlich verbindliche Regelung, wo gebaut werden darf und wo nicht“, so Christoph Walder vom WWF. „Deshalb muss der Katalog sowohl geeignete Zonen für die Wasserkraft ausweisen, als auch Tabu-Gebiete nennen, wo Natur- und Gewässerschutz Vorrang haben“, fordert der WWF-Flussexperte.
Ausbaupläne schießen weit über das Ziel hinaus
In der Energiestrategie Österreichs ist ein Ausbauziel von 3,5 Terawattstunden bis 2015 festgeschrieben. Alle derzeit geplanten Kraftwerke zusammengenommen, würden jedoch 8 Terawattstunden Strom erzeugen. „Das ist mehr als doppelt so viel – wie soll die Natur das aushalten?“, fragt sich Walder und stellt klar, dass der WWF nicht gegen Wasserkraft ist. Entscheidend sei die Standortwahl. Dazu erstellte die Umweltorganisation 2011 einen Öko-Masterplan zu den Flüssen und Bächen in Österreich. Es ist nicht einzusehen, warum auch noch der letzte intakte Gletscherbach im hintersten Isel-Tal für die vermeintliche Versorgungssicherheit und Energieautarkie bluten soll“, so Walder.
Flussgesundheit: Österreich im Europäischen Schlussfeld
Bei einem Ausbaugrad der Wasserkraft von über 70 Prozent, sind nur noch 14 Prozent der heimischen Flüsse und Bäche ökologisch gesund. Österreich liegt damit im EU-Schlussfeld in Sachen Flussbeschaffenheit (Morphologie). Würden alle rund 60 geplanten Großprojekte realisiert, verschlechtert sich zudem die ökologische Zustandsklasse der großen Flüsse von derzeit 3,7 (mäßig bis unbefriedigend) auf 4,3 (unbefriedigend bis schlecht). Zu diesen Ergebnissen kommen zwei aktuelle Studien der Universität für Bodenkultur und warnen vor einem übermäßigen Ausbau der Wasserkraft in Österreich.
Ende 2009 hatten sich Lebensministerium, E-Wirtschaft und Umwelt-NGOs auf die Erstellung eines geeigneten Kriterienplans geeinigt, der in mehreren Runden unter Einbindung verschiedener Interessensgruppen und Fachexperten erarbeitet wurde. Zuvor hatte die EU-Kommission in einem Schreiben an das Lebensministerium, den unstrategischen Zugang Österreichs in der Wasserkraftfrage gerügt und die europäischen Wasserdirektoren daraufhin zur Ausweisung von Tabuzonen geraten.