Umweltexperten lehnen Umgehungspläne der Bürgermeister ab
Innsbruck/Wien, 22. Juli 2014 – Das EU-weite Schutzgebietsnetzwerk Natura 2000 bekommt in den nächsten beiden Jahren Zuwachs aus Österreich. Insgesamt sind 26 Biotoptypen und 72 Tier- u. Pflanzenarten im gesamten Bundesgebiet betroffen, für die zusätzliche Schutzgebiete auszuweisen sind. Österreich, in Naturschutzangelegenheiten durch die Landesregierungen vertreten, ist bei der Nennung dieser Gebiete säumig. Bereits vergangenes Jahr forderte EU-Umweltkommissar Janez Poto?nik per Mahnschreiben den damaligen Bundesminister im Außenamt, Michael Spindelegger, auf, Österreich möge seinen Pflichten in Sachen Naturschutz nachkommen. Der Zeitplan dafür wurde in zwei Etappen gesteckt: Bei einigen Arten und Lebensräumen gilt noch zu klären, wo genau und in welcher Stärke sie vorkommen, daher sind die entsprechenden Gebiete bis September 2015 auszuweisen. Die zweite Gruppe betrifft Bereiche, für die diese Fragen bereits geklärt sind. Sie sind bis Ende September 2014 verpflichtend der EU-Kommission nach Brüssel zu melden. Prominentester Vertreter dabei ist das Gletscherflusssystem der Isel und ihre Zubringerbäche Schwarzach, Tauernbach und Kalser Bach in Osttirol. Die breite Front der Umweltorganisationen fordert nun die Ausweisung der gesamten Isel samt Seitenbäche als Natura 2000 Gebiet.
Immer dringlicher wurden in den letzten Wochen die Gesuche der Bürgermeister der Gemeinden des oberen Isel-, Virgen- und Defereggentals sowie des Kalser Tals an die Tiroler Landesregierung ihre Kraftwerksinteressen zu wahren. Vergangenen Montag reisten sie nach Innsbruck um die zuständigen Landesräte Josef Geisler und Ingrid Felipe von ihrer Vorstellung eines Natura 2000 Gebietes zu überzeugen. Die gemeinsame Angst vor einer „Naturschutz-Käseglocke“ brachte sie sogar so weit Vorschläge ihres eigenen ökologischen Gutachters zu ignorieren. Stattdessen wurde ein örtliches Raumplanungsbüro mit der Ausarbeitung einer Minimal-Abgrenzungsvariante beauftragt, die aber von der Naturschutzlandesrätin Felipe abgelehnt wird.
Nun melden sich mit WWF und ÖKOBÜRO die führenden Natur- u. Umweltschutzorganisationen zu Wort. „Bereits seit langem war klar, dass es wegen der bedeutenden Vorkommen des Biotoptyps ’Alpine Flüsse und ihre Ufervegetation mit Deutscher Tamariske’ zu einer Natura 2000 Nominierung der Isel und ihrer Zubringerbäche kommen muss“, sagt Gebhard Tschavoll, verantwortlich für den Schutz der Isel beim WWF. „Die Isel und ihre Zuflüsse benötigen einen Schutz, der den Fortbestand ihrer besonderen Arten und Lebensräume sicherstellt. Das kann nur durch eine Ausweisung erreicht werden, die Rücksicht auf die Dynamik eines intakten Fließgewässer-Ökosystems nimmt“.
Auch der Geschäftsführer des ÖKOBÜRO, Thomas Alge, lehnt das Vorgehen der Gemeindepolitiker ab. „Es ist den Bürgermeistern offenbar nicht bewusst, dass bei einem Natura 2000-Ausweisungsprozess einzig naturschutzfachliche Überlegungen eine Rolle spielen. Erst danach werden in einem gemeinsamen Prozess auch wirtschaftliche Überlegungen aller Betroffenen eingebracht.“
Am kommenden Donnerstag findet in Kals am Großglockner der zweite Runde Tisch zur Natura 2000-Ausweisung der Isel statt. Dabei wird ein Vorschlag der Abteilung Umweltschutz des Amtes der Tiroler Landesregierung präsentiert. ÖKOBÜRO – Allianz der Umweltbewegung gehören 15 österreichische Umwelt-, Natur- und Tierschutz-Organisationen an (u.a. Greenpeace, WWF, GLOBAL 2000 und Vier Pfoten). Gemeinsam mit seinen Mitgliedsorganisationen setzt sich ÖKOBÜRO auf zivilgesellschaftlicher, politischer und juristischer Ebene für die Interessen der Umwelt ein. ÖKOBÜRO ist damit nicht nur Ansprechpartner und Netzwerker für die Umweltbewegung, sondern auch zentrale und kompetente Stimme für den Umweltschutz.