In den Stolz auf das Erreichte mischt sich die Sorge um weiterhin ungeschützte Flüsse
Wien, 26. November 2014 – Die Besetzung der Hainburger Au gegen die Errichtung eines großen Donaukraftwerks gilt als Sternstunde der direkten Demokratie und als Wendepunkt der Umweltpolitik in Österreich. Im Dezember jähren sich die Ereignisse der kalten Wintertage- und Nächte in den Lagern von Stopfenreuth zum 30. Mal. Der WWF Österreich war damals Initiator der „Rettet die Au“-Kampagne und zieht eine durchwachsene Bilanz: „Wir sind glücklich, dass die Donau-Auen heute als Nationalpark geschützt sind und die Aubesetzung bei vielen Menschen ein Umdenken bewirkt hat. Bürgerinnen und Bürger verlangen seither von der Politik, dass ökologische Aspekte bei ihren Entscheidungen eine wichtige Rolle spielen“, erklärt WWF-Geschäftsführerin Andrea Johanides. „Auf der anderen Seite schmerzt, dass in Österreich seit 1984 viele neue Wasserkraftwerke gebaut wurden; allein 100 in den letzten fünf Jahren, und sogar in Schutzgebieten. Da darf man sich nicht wundern, wenn die Roten Listen immer länger und die Hochwässer immer gefährlicher werden“, gibt Johanides zu bedenken.
Wenngleich in den letzten Jahrzehnten viele Umweltfragen in Angriff genommen wurden, hat sich in der offiziellen Energiepolitik nicht wirklich Entscheidendes bewegt: Wie damals an der Donau, bestimmen auch heute vorwiegend Kraftwerksgesellschaften das Geschehen an Österreichs Flüssen und dem Öffentlichen Wassergut. Statt Fließgewässer wieder mehr mit ihrer Landschaft zu vernetzen und den ökologischen Hochwasserschutz zu fördern, werden die vielfältigsten und artenreichsten Lebensräume, die unsere Natur zu bieten hat, Stück für Stück degradiert oder zerstört.
Hainburg liegt heute beispielsweise in Tirol, wo die Tiroler Wasserkraft AG für das Megaprojekt „Ausbau des Kraftwerks Kaunertal“ letzte intakte Wildflüsse ableiten und ein unberührtes Hochtal aufstauen will. „Die TIWAG spielt dabei massive Naturzerstörung plump gegen den Klimaschutz aus und tarnt sie als Beitrag zur Energiewende. In Wahrheit geht es im Kaunertal nicht um grüne Energiegewinnung zur Förderung der Tiroler Stromautonomie, sondern die Kraftwerksgruppe produziert vorwiegend für den Export“, stellt Christoph Walder, Leiter des WWF Tirol, klar. Im Jahr 30 nach Hainburg brauche die Österreichische Energiepolitik endlich den Mut zu einer echten naturverträglichen Energiewende, die ohne unnötige Zerstörung letzter Lebensadern auskommt.
Ulrich Eichelmann, Geschäftsführer der NGO Riverwatch und seit kurzem Träger des “Großen Bindingpreis für Natur- und Umweltschutz“ war von 1991 bis 2007 Mitarbeiter des WWF Österreich. Dort leitete er mehrere Kampagnen zur Verhinderung von Kraftwerken und für die Errichtung des Nationalparks Donau-Auen. In den 1990er Jahren entstand beim WWF auch erstmals die Idee, intakte Flussstrecken im Rahmen eines „Masterplans“ zu Tabuzonen für die Wasserkraft zu erklären, um sie für nachfolgende Generationen zu erhalten. Viele der damals gemeinsam mit dem heutigen Umweltministerium zu „Flussheiligtümern“ ernannten Juwelen wie die Schwarze Sulm, die Ybbs oder die Isel, sind heute immer noch nicht ausreichend geschützt. Eichelmann sagt: „Wir haben aus Hainburg nichts gelernt, im Gegenteil. Es ist schlimmer als damals. Wir brauchen heute wie damals eine Widerstandskultur gegen die Maßlosigkeit der Naturzerstörung und vor allem gegen die Gier der Wasserkraftlobby. Andernfalls werden in zehn Jahren vom besungenen Land am Strome nur noch Stauseen und Rinnsale übrig sein“, mahnt der Flussökologe.
Der WWF will die letzten freien Flussstrecken Österreichs vor den Begehrlichkeiten der E-Wirtschaft schützen. „Wir produzieren nicht zu wenig, sondern wir verbrauchen zu viel“, unterstreicht Walder. „Ohne eine drastische Reduktion des Energieverbrauchs ist die Energiewende nicht zu schaffen!“
30 Jahre nach Hainburg sind bereits 86 Prozent der Österreichischen Flüsse und Bäche ökologisch beschädigt. In punkto Gewässerstruktur gehört Österreich zu den Schlusslichtern innerhalb der EU.
Eine Chronologie der Hainburg-Ereignisse finden Sie auf der Website des Nationalparks Donau-Auen unter www.donauauen.at.