Österreichs führende Umweltorganisationen fordern rasche Kurskorrektur bei Naturschutzgesetz-Novelle
Innsbruck, 31. Juli 2014 – Österreichs führende Umweltorganisationen WWF, Greenpeace und GLOBAL 2000 und ÖKOBÜRO sehen in dem von der Tiroler Landesregierung im Juni vorgestellten Paket zu Luft und Wasser (Maßnahmenpaket Tirol 2014) einen Tiefpunkt der Naturschutzpolitik des Landes. Zu diesem Ergebnis kommen sie nach einer umfassenden Analyse des Papiers durch Umweltjuristen des ÖKOBÜRO, die heute im Rahmen einer Pressekonferenz in Innsbruck vorgestellt wurde. Das Paket beinhaltet nicht nur umstrittene Kraftwerksvorhaben wie Kühtai und Kaunertal, sondern auch teils EU-rechtswidrige Anpassungsvorschläge des Tiroler Naturschutzgesetzes. „Das ist der größte Anschlag auf die Tiroler Natur der letzten 25 Jahre und ein naturschutzpolitischer Skandal, der unter einer Schwarz-Grünen Regierung einfach keinen Platz haben darf“, so die Umweltverbände unisono. Sie fordern die Landesregierung auf, die EU-rechtswidrigen Veränderungen des Naturschutzgesetzes unverzüglich fallenzulassen und eine echte Novellierung des Tiroler Naturschutzgesetzes einzuleiten.
Juristen des ÖKOBÜRO haben das Maßnahmenpaket zu den drei Themenbereichen „Lebensqualität-Luftreinhaltung“, „Versorgungssicherheit-Elektrische Energie“ und „Fließgewässernovelle zum Tiroler Naturschutzgesetz“ rechtlich unter die Lupe genommen. Vereinzelte Maßnahmen zur Luftreinhaltung oder die Ausweisung von Tabuzonen für Kraftwerke am Inn sind dabei durchaus begrüßenswert. In Summe bringt das Paket jedoch eine massive Verschlechterung des Natur-und Gewässerschutzes mit sich. „Unter dem Deckmantel der Energiewende sollen etwa der Schutz von Ruhegebieten geschwächt und der internationale Vogel- und Artenschutz aufgeweicht werden“, ist der Umweltjurist und ÖKOBÜRO-Geschäftsführer Thomas Alge entsetzt.
Die Tiroler Landesregierung rechtfertigt den massiven Ausbau der Wasserkraft mit dem deutschen Atomausstieg bis 2022. Allerdings wurde international bereits mehrfach klargestellt, dass dieser für die Versorgungssicherheit kein Problem darstellt, weil Europa die schwankende Stromerzeugung durch Sonne und Wind weitgehend ohne neue Stromspeicher ausgleichen kann. Zu diesem Schluss kommt etwa die renommierte Forschungseinrichtung Fraunhofer IWES in einer aktuellen Studie im Auftrag des deutschen Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie.
Hanna Simons, Umweltpolitik-Chefin von Greenpeace stellt klar, dass keine Umweltorganisation gegen sinnvolle Projekte der Energiewende auftreten würde. Österreich hat dank seiner bestehenden Wasserkraftwerke eine gute Ausgangslage für saubere Stromversorgung. „Wir müssen aber auch die anderen Potenziale ausschöpfen: Den Ausbau von Windkraft und Sonnenstrom, die Steigerung der Energieeffizienz, die Nutzung jeglicher Einsparungspotenziale und eine intelligente Steuerung der Stromlasten. Die Energiewende darf nicht als Vorwand für den Bau unnötiger Großprojekte herhalten, die im Widerspruch zum Naturschutz stehen“, erklärt Simons.
Leonore Gewessler, Geschäftsführerin von GLOBAL 2000, schlägt in dieselbe Kerbe und nennt den Ausbau erneuerbarer Energien und die Steigerung von Energieeffizienz als Kernthemen der Energiewende – die aber nur mit ernsthafter Einbindung der Bevölkerung gelingen kann. Sie fordert daher zusätzlich eine strategische Planung für ganz Österreich mit Transparenz und breiter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger.
Flussexperte Christoph Walder vom WWF kritisiert das Maßnahmenpaket ebenfalls scharf. Besonders die Herabstufung des Natur- und Gewässerschutzes zur Begünstigung von sechs Megakraftwerken im Oberland, sind aus Sicht des WWF inakzeptabel. Dadurch würden letzte Naturparadiese wie tosende Wasserfälle, glasklare Bergseen und unberührte Alpentäler und Moore unwiederbringlich zerstört werden. Dazu zählen EU-rechtlich streng geschützte Arten und Flussheiligtümer wie die Ötztaler Ache. „Derart schwere Eingriffe in unser Naturerbe zuzulassen, kann doch nicht im Sinne einer Schwarz-Grünen Landesregierung sein“, wundert sich der WWF-Ökologe.
Umweltorganisationen erwarten Kurskorrektur
Der WWF, Greenpeace, GLOBAL 2000 und ÖKOBÜRO fordern die Tiroler Landesregierung auf, die EU-rechtswidrigen Veränderungen des Tiroler Naturschutzgesetzes fallenzulassen und stattdessen eine echte Novellierung des Gesetzes anzugehen, wie sie den Umwelt-NGOs seit einem Jahr versprochen wird. Außerdem muss die Schwarz-Grüne Landesregierung für eine umfassende Information und Einbindung der Öffentlichkeit in die Wasserkraft-Ausbaupläne des Landes Tirol sorgen. „Andernfalls gibt es gleich zwei Verlierer: Die Tiroler Natur mit ihren geschützten Flüsse und Bächen und das Vertrauen der Bürger in eine berechenbare Politik“, so die Umweltorganisationen abschließend.